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Qualzucht
23.10.2017 16:35 (5867 x gelesen)

Qualzucht? Aber MEIN Hund quält sich doch nicht!

 

Die Bundestierärztekammer hat aktuell eine sehr lesenswerte Broschüre zum Thema „brachycephales Syndrom“ herausgegeben. („Kurznasen und Glubschaugen: Nicht süß, sondern gequält“ auch im Internet zu finden, Homepage der BTK)

Ein sehr eindrückliches Beispiel für das brachycephalen Syndrom, die englische Bulldogge in der Mitte. Und, zu sehen an der französischen Bulldogge rechts, nicht jedes Individuum der brachycephalen Rassen muss körperliche Einschränkungen haben, ein züchterischer Erfolg auf ganzer Linie.



Die verbesserte Zucht in Richtung „mehr Nase“ ist auf dem Vormarsch, das sehen wir immer öfter in unserer Praxis. Trotzdem möchten wir unser heutiges Thema den vielen Hobby-Züchtern und Mops- (und Co) Liebhabern widmen.

 

       Der Mops als Beispielvertreter unter den brachycephalen (Kurzköpfigen) Rassen, war vor 100 Jahren noch ein agiler Hund mit zwar rundem Schädel, aber klar erkennbarer Schnauze. Erst die weitere Verpaarung immer kurznasigerer Vertreter ließ ihn zu einer Qualzucht werden.

 

Laut Tierschutzgesezt (§ 11b) ist es verboten Wirbeltiere zu züchten, bei denen züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass deren Nachkommen unter dem artgemäßem Gebrauch von Körperteilen (z.B. Nase/oberer Atemtrakt) leiden. (genauer Wortlaut siehe Tierschutzgesetz)

 

Aber wann leidet ein Mops, oder eine französische Bulldogge?

 

       Die Atemnot ist ein subjektives Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Sie löst ein unbehagliches, beklemmendes Gefühl aus, dass je nach Ausprägung für das Tier mit Leiden verbunden sein kann. (Wie geht es uns zur Schnupfenzeit?! Eine Atmung durch den Mund ist ja möglich, aber an einen erholsamen Schlaf z.B. ist doch nicht zu denken.)

 

       Die Zucht bescherte den brachycephalen Rassen verschiedene anatomische Veränderungen. Man sollte sich nur mal vorstellen, in dem zu kurzen Schädel steckt noch die gleiche Masse an Nasenmuscheln, wie bei einem Hund ähnlicher Größe MIT Schnauze. Also diese Masse an Knorpelsubstanz und Schleimhaut wird auf den kleineren zur Verfügung stehenden Raum komprimiert. Ein engerer Raum erhöht den Luftwiederstand. Die im Verhältnis übermäßige Schleimhaut unterliegt einem ständig höheren Reiz, es kommt zu Ödembildungen und Schleimhautvorfällen, die dieses Problem verstärken.

 

Außerdem leiden diese Hunde an einer tatsächlich zu großen Zunge (erkennbar daran, dass sie ständig aufgerollt ist), tatsächlich zu engen Nasenlöchern (siehe Fotos im Vergleich verschiedene Vertreter) und u.a. einer schlechten, durch mangelhafte Einlagerung von Calzium bedingten, Knorpelsubstanz des Kehlkopfes und der Luftröhre, wodurch es signifikant häufiger zu einem Kollaps dieser Strukturen kommen kann.

 

Der hervorgerufene Sauerstoffmangel in den Körperorganen kann tatsächlich durch Messung des körpereigenen Botenstoffes „VEGF“ objektiv bestimmt werden (VEGF-vascular endothelial growth factor). So kann das individuelle „Leiden“ tatsächlich wissenschaftlich belegt werden.

 

Welche Symptome weisen auf eine Atemnot hin?

 

       Eine Blaufärbung (Zyanose) der Schleimhäute/Zunge, abgestellte Ellenbogen bei heftiger Atmung/“Bauchatmung“, häufigeres Hinsetzen auf dem Spaziergang (weil hierdurch weniger Druck auf das Zwerchfell wirkt) wären Anzeichen einer solchen Atemnot. Ständige Atemgeräusche auch in Ruhe, oder sogar Ohnmachtsanfälle (Synkopen) schon die Extreme.

 

Hecheln ist Arbeit. Arbeit verbraucht mehr Sauerstoff und erzeugt Wärme, wodurch sich das Hecheln verstärkt, es entsteht ein Teufelskreis. Solche Hunde haben ein Problem ihre Körpertemperatur adäquat zu regulieren. Übergewicht und damit verbundene schlechte Wärmeableitung über die Haut verstärken diesen Effekt.

 

Desweiteren erkranken diese Tiere häufig an Entzündungen der vielen Hautfalten und diversen Augenproblemen z.B. Exophthalmus bis hin zum Bulbusprolaps (Vorfallen der genetisch beding stark hervorstehenden Augen), Hornhautulzerationen (da Haare der starken Hautfalten im Gesicht auch auf der Hornhaut reiben, sowie die Augenlider nur ungenügend verschlossenen werden können und somit die Tränenflüssigkeit schlechter verteilt wird).

 

Schwergeburten durch übergroße Schädel der Welpen, Kiefer- und Zahnprobleme schon bei Junghunden, durch Fehlstellungen selbiger kommen häufig vor.

 

Die stark aufgerollte/ doppelt geknickte Rute ist auf eine Missbildung der Schwanzwirbel zurück zu führen (von symmetrisch zylindrisch, zu unsymmetrisch keilförmig). Diese Missbildung findet sich häufig auch in anderen Wirbelsäulensegmenten (häufig dem Brustwirbelbereich) wieder. Hierdurch kommt es häufig zu Quetschungen des Rückenmarks, verbunden mit Schmerzen und Problemen beim Bewegungsablauf (Ataxien, Paresen).

 

       Wer ein Tier hält, ist laut §2 TierSchG dazu verpflichtet solche Fälle in tierärztliche Behandlung zu geben. Einfacher ist es jedoch, Tiere mit diesen Missbildungen schon vorher gänzlich von der Zucht auszuschließen.

 

Der VDH hat in Zusammenarbeit mit den Mops- und Französische Bulldogge-Zuchtvereinen z.B. einen sehr einfachen Belastungstest für potentielle Zuchttiere entwickelt. Leider werden hier nur sehr auffällige Tiere ausgemustert, aber das Problem ist immerhin ins Bewusstsein getreten.

 

Das Tierschutzgesetz gibt den Behörden einigen Handlungsspielraum, vor allem was das Zuchtverbot für betroffene Tiere angeht. So können z.B. Kastrationen amtlich angeordnet werden.

 

Schlussendlich trägt jedoch der Käufer der Hunde die Hauptverantwortung, er bestimmt in welche Richtung die Zucht gehen soll.

 

       Es heißt also: „Augen auf beim Welpenkauf“! Kaufen sie vor allem keine Hunde aus Mitleid. Schauen Sie sich die Elterntiere genau an. Bei kaum einer anderen Rassengruppe ist es wichtiger, die Elterntiere gesehen zu haben. Es gibt Mops- und Bulldoggenvertreter ohne all diese Probleme, die ein beschwerdefreies Leben führen können.

 

Bleiben Sie objektiv! Unterstützen Sie keine Qualzuchten!

 

 Unsere Bilder zum Thema sind freundlicherweise von einer lieben Kundin zur Verfügung gestellt worden.


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